50 Jahre Phänologie in Saalfelden

(Phänologie - Beobachtung der Vegetationsentwicklung)


Die Vegetationsentwicklung ist jedes Jahr unterschiedlich – je nach Schneelage im Spätwinter und Temperaturverhältnissen im Frühling und Frühsommer. Alle Arbeiten bei den Bienen und auch in der Landwirtschaft müssen sich den jeweiligen Verhältnissen anpassen. Aus diesem Grund habe ich die Blühzeiten der für die Bienen relevanten Bäume, Sträucher und Nektar liefernden Pflanzen erhoben und aufgeschrieben und zwar in folgender Reihenfolge: Hasel, Erle, Saalweide, Marille, Spitzahorn, Kirsche, Löwenzahn, Birne, Apfel, Robinie, Holler, Himbeere, Sommerlinde, Winterlinde. Heute sind diese Daten ein wertvoller Hinweis, um die Klimaänderung in der Natur festzustellen und auch viel interessanter als die Temperaturveränderung.

Folgende Blühzeiten wurden detailliert ausgewertet: Hasel, Vogelkirsche, Löwenzahn, Apfel, Holler. Dabei wurde festgestellt, dass die Blühzeiten nicht um denselben Zeitraum früher stattfinden. Die Haselblüte erfolgt im 30-jährigen Vergleich nur um 4 Tage früher, nämlich durchschnittlich am 8. März. Die Ursache ist der Schnee, der noch liegt, und eine Erwärmung des Bodens verhindert. Dasselbe gilt für die Erle und Saalweide. Erst die Vogelkirschblüte erfolgt um 8 Tage früher, nämlich durchschnittlich am 20. April. Auch die Löwenzahnblüte ist 8 Tage früher, am 25. April. Der volle Vorsprung der Vegetationsentwicklung wird mit der Apfelblüte (12 Tage früher – durchschnittlich am 1. Mai) und der Holunderblüte (12 Tage früher – durchschnittlich am 1. Juni) erreicht. Die Hollerblüte ist ein wichtiges Datum für die erste Mahd. Die größte Futterausbeute wird bei einer Mahd zwischen 1. Hollerblüte und 10% Hollerblüte erreicht, das ist durchschnittlich zwischen 25. Mai und 1. Juni. Wird später gemäht, dann liegt das Gras schon von Wind und Regen niedergedrückt und wird im unteren Bereich schon gelb. Aber auch ein zu frühes Mähen ist ungünstig. Wenn es noch keine Reservestoffe in den Wurzeln gebildet hat, braucht das Gras sehr lange nach dem Mähen, bis es nachwächst, zum richtigen Zeitpunkt gemäht, wächst es nach 2 Tagen schon wieder.

Haselblüte  VogelkirschblüteLöwenzahnblüte Apfelblüte
Hollerblüte


12 Tage Vegetationsvorsprung bedeutet, dass die Vegetationsverhältnisse von früher auf 400 Meter Seehöhe, jetzt auf 800 Meter vorzufinden sind. In dieser Höhenlage ist derzeit alles möglich: Ackerbau, Gemüsebau, Obst- und Weinbau und alles ohne Bewässerungsanlagen. Die allermeisten Bauern werden aber bei der Viehwirtschaft bleiben, da die Futterausbeute derzeit größer ist und die erforderlichen Geräte und Maschinen vorhanden sind.

Obwohl die Lufttemperaturen im Gebirge stark angestiegen sind, gibt es kein entsprechendes Höherwandern der Vegetationsgrenzen. Schuld ist der Schnee, der so wie bei der Hasel, die Vegetation in höheren Lagen einbremst. Mit der Höhe nimmt die Veränderung ab, über 1000 Meter Seehöhe beträgt sie noch 200 Höhenmeter, über 1500 Meter nur noch 100 Meter und die Waldgrenze auf den Pinzgauer Grasbergen ist nur um 50 Meter von 1850 auf 1900 Höhenmeter angestiegen. Über 2000 Höhenmeter gibt es kaum eine Veränderung in den Vegetationsverhältnissen, ein Aussterben von Pflanzenarten wegen Höherwandern ist derzeit auszuschließen. 


Die Nachteile der Klimaänderung:

Über 800 Meter Seehöhe gibt es kaum Nachteile, zum Teil sogar Vorteile (besseres Wachstum bei Gras und Bäumen). Die Schneelage wird nur geringfügig vermindert (im November bis Anfang Dezember und ende März bis April). 

Unter 800 Meter Seehöhe sind die Schäden gravierender. Es gibt keinen Wintersport mehr, der auf den Schnee angewiesen ist. Die Fichte stirbt durch Borkenkäferbefall und Windwurf und wird in Zukunft durch einen Laubmischwald ersetzt werden. Dieser Vorgang dauert allerdings noch einige Jahrzehnte, da die Umtriebszeit der Fichte in dieser Höhenlage 80 Jahre beträgt. Für Kleinwaldbesitzer ist der schaden enorm, da aber Wald die Sparkasse für größere Investitionen darstellt und in Zukunft nur minderwertigen Schadholz anfällt. Eine Neuaufforstung bringt frühestens in 60 Jahren einen Ertrag.

Unter 400 Meter Seehöhe wirken sich die Wetterextreme besonders negativ aus. Vor allem die Trockenschäden in den Wäldern und in der Landwirtschaft sind hoch. Für den Obst- und Weinbau sind Bewässerungsanlagen unumgänglich notwendig, aber es kann nicht alles bewässert werden. Im Getreidebau setzt man daher auf Sorten, die Trockenheit vertragen. Die wärmere Luft kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen und es kommt zum gegenteiligen Extrem, nämlich Hochwasser, dieses allerdings in allen Höhenlagen. Hier sind besonders die Mittelmeerentwicklungen katastrophal. 


Der Gletscherschwund ist unaufhaltbar. Der Grund sind die hohen Sommertemperaturen, die den angefallenen Winterschnee wegschmelzen lassen. Es gibt kein Jahr mehr, wo der Winterschnee den Sommer überlebt und dadurch die Sonneneinstrahlung reflektiert. Die Schmutzschicht kann sich in das Eis hineinfressen und der Gletscher verliert stark an Masse. Dieser Vorgang ist so ähnlich, wie wenn man im Frühjahr Asche streut, um ein schnelleres Abschmelzen des Schnees zu bewirken. Vorläufig hat ja die Gletscherschmelze einen positiven Effekt für die Energiewirtschaft durch die höhere Wasserführung im Sommer, dies allerdings nur solange der Gletscher vorhanden ist. 



Alle Angaben ohne Gewähr! 

©  Hofrat DI Horst Nöbl
Saalfelden,  April 2020